Schon wieder eine Studie, bei der man herausgefunden hat, wie schlecht Fernsehen für Kinder ist.
Schon wieder habe ich Anlass, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich meinem Kind erlaube, Fernsehen zu gucken.
Öhm. Fernsehen.
Was genau haben eigentlich die Kinder geguckt aus der Studie? Tatort oder Teletubbies? Blair Witch Project oder Bob der Baumeister? Lethal Weapon oder Leo Lausemaus? Kunst und Krempel oder Kikaninchen? Waren sie allein? Saß jemand bei ihnen?
Nochmal gucken. Steht nix drin.
Aber die Medienwissenschaftler werden es wissen. Oder? Haben bestimmt Kinder. Saßen schon monatelang zuhause mit einem Kind, dass es in jeder wachen Minute pädagogisch wertvoll und gutgelaunt zu bespaßen galt. Wie haben die das gemacht?
Nochmal gucken. Steht nix drin.
Aber wahrscheinlich verdienen fest angestellte Medienwissenschaftler so gut, dass sie sich bequem ein bis zwei gut ausgebildete Nannys leisten können, die dann, wenn die Medienwissenschaftler gerade kochen oder Wäsche hängen müssen, die pädagogisch hochwertige und emotional ansprechende Bespaßung übernehmen.
Ja aber, wer sagt denn überhaupt, dass Kinder ständig bespaßt werden müssen? Die können doch auch mal alleine spielen.
Und wenn sie in ihren Zimmern sitzen, mit unbehandeltem Holzspielzeug, und trotzdem schreien, weil sie nicht alleine spielen wollen?
Nochmal in den Artikel gucken. Hm. Steht nix drin.
Naja. Aber wie mache ich das mit der immer guten Laune? Obwohl ich gerne mal kurz was lesen oder mit einem Erwachsenen sprechen oder duschen würde - und es nicht kann, weil sonst mein Kind weint? Ich also häufiger und starker Frustration ausgesetzt bin?
Nochmal gucken. Hm. Steht nix drin.
Wieso erforschen Medien- oder sonst welche Wissenschaftler nicht, wie man dafür sorgen kann, dass man oder in 80 % der Fälle frau das Kind gar nicht erst vor den Fernseher setzen muss? Auch wenn keine Oma oder Tante oder Götti oder sonst wer in der Nähe wohnt? Auch wenn der Mann arbeitet? Oder es gar keinen Mann im Haushalt gibt?
Wieso sind die faulen und nachlässigen Mütter schuld, wenn die Kinder – selbstverständlich, weil sie zu viel Fernsehen – ADHS, ADS, Neurodermitis oder die Pest bekommen? Wo sind denn die anderen Erwachsenen, denen das Wohl des Kindes so sehr am Herzen liegt? Die vor der Zeitung sitzen oder die im Internet surfen oder die vor der Glotze sitzen und sich davon berichten lassen, wie schlecht Fernsehen für Kinder ist?
Ich bin sicher, dass es besser ist, mein Kind einen lustigen Trotro-Film gucken zu lassen, während ich mir die Haare wasche, oder Teletubbies einzuschalten, um mal mit ner Freundin zu telefonieren, als übellaunig und mit fettigem Haar zum vierhundertsten Mal die Holzeisenbahn aufbauen zu müssen. Oder die Sendung mit der Maus laufen zu lassen, wenn mein Kind dann in Ruhe seine Spaghetti isst, statt dass es heulend und nahrungsverweigernd am Tisch sitzt.
Jaja, ich kann es hören: Beim Essen Fernsehen! Huah! Schimpf! Schande! Todsünde und scharlachroter Buchstabe.
Wieso eigentlich? Wie kann es schlecht sein, wenn mein Kind dasitzt, sich kugelt vor Lachen, mich am Ärmel zupft, damit ich das Lustige auch mitbekomme und dann die nächste Gabel Nudeln in sich hineinschaufelt?
Warum soll ich es zwingen, heulend mit mir am Tisch zu sitzen, weil es angeblich lernen muss, sich aufs Essen zu konzentrieren? Weil es sonst bis ins hohe Alter darauf konditioniert und dazu verdammt ist, beim Essen Sendung mit der Maus gucken zu müssen?
Please.
Es ist ein kleiner Mensch und kein kleiner Hund. Es wird irgendwann entscheiden, von ganz alleine, dass es sich beim Essen mit einem wie auch immer ausgewählten Gesprächspartner unterhalten will. Oder eben auch nicht. So what?
Kultur und würdevolle Umgangsformen haben nicht das Geringste damit zu tun, ob ein Kleinkind Lust hat, beim Essen still bei Tisch zu sitzen.
Ein würdevoller Umgang ist, wenn ich auch beim allerblödesten Trotzanfall die richtigen Worte finde, damit mein Kind aus der Schrei- und Strampelnummer im Supermarkt - oder von mir aus auch bei Alnatura - wieder herausfindet. Und selbst wenn ich das nicht immer hin bekomme, spürt mein Kind meinen Willen dazu, ihm seine Würde zu wahren, weil es das im Moment noch nicht selber kann.
Ich bin in der Verantwortung für die Würde und nicht mein Kind.
Denn ich bin erwachsen und mein Kind ist ein Kind.
Es geht nicht darum, das Eltern ihr Kind vor dem Fernseher abstellen oder sich nicht mit ihm beschäftigen zu wollen. Es hat damit zu tun, womit man in der Familie zurechtkommt, am meisten Spaß und Freude hat, was praktikabel ist. Egal, ob die Familie nun aus zwei oder drei oder mehr Menschen besteht.
Vor ein paar hundert Jahren, als mehr und mehr Menschen lesen lernten, hatte das Lesen einen schlechten Ruf.
Romane lesen, guter Gott.
Flucht aus der Realität. Unproduktiver Scheiß.
Schädliche Gedanken fremder Leute würden da in den Kopf – übrigens vor allem der Frauen - kommen und weiß der Himmel was anrichten.
Heute brechen wir uns einen ab, um unsere Kinder ans Lesen zu kriegen.
Es gibt ein altes Sprichwort, dass ein Mann dann ein guter Vater ist, wenn er die Mutter seines Kindes liebt. Das mag in heutigen Zeiten mit allen möglichen alternativen Lebensformen obsolet erscheinen. Aber gemeint ist damit, glaube ich, dass es dem Kind erst gut gehen kann, wenn es auch der Mutter gut geht. Wenn sie sich umsorgt weiß, sie sich keine Gedanken um Lebenshaltungskosten und Altersversorgung machen muss, weil sie sich dafür entschieden hat, für ihr Kind nur noch in Teilzeit oder gar nicht mehr zu arbeiten.
Mütter können am besten gute Mütter sein, wenn man sich auch um ihren Schutz bemüht. Dann können sie sich entspannt und glücklich um ihre Kinder kümmern.
Warum das wirklich wichtig wäre, lesen Sie nächste Woche hier in diesem Theater…