Kinder und Kirche

Neulich bin ich kurzzeitig in den Besitz einer einigermaßen aktuellen Ausgabe (30/2017) des „Spiegel“ gekommen. Und obwohl diejenigen, an die ich mich jetzt richten wollen würde, mein Blog sowieso nicht kümmert, weil dank ausgeklügelter Logarithmen nur diejenigen meine Texte lesen, denen es wahrscheinlich im Bezug auf das Thema ähnlich geht wie mir, muss heute etwas raus.

 

Der Leitartikel heißt „Herr, erbarme dich!“ und geschrieben hat ihn ein Herr Markus Brauck. Keine Ahnung, was Herr Brauck sonst so verfasst, ich hatte keine Zeit zum Googeln, ob er links oder rechts wählt oder gar nicht, aber, lieber Herr Brauck, SIE HABEN RECHT!!!!!

 

Man darf Kinder nicht quälen, schlagen, vernachlässigen oder missbrauchen, und ich werde Ihretwegen „Die Brüder Karamasow“ lesen, nur, um den Satz zu finden, den Sie zitieren: Dass die im Himmel versprochene Harmonie „nicht einmal eine einzige Träne auch nur des einen gequälten Kindes wert“ ist.

 

Missbrauch und Misshandlung sind schwerste Delikte, die nicht verjähren dürfen und die erheblich schwerer bestraft werden müssten als Diebstahl, Betrug oder ein bescheuerter Banküberfall.

 

Und mit Verlaub, auch mir sind es einfach ein paar zu viele Fälle bei der Kirche - Regensburg, Irland, Domspatzen, Kinderheime, Internate – es scheint, überall, in denen Erwachsene mit Erziehungsgewalt über Schutzbefohlene ausgestattet sind, wird sie auch irgendwann missbraucht.

 

Even bei der Bundeswehr gilt: Gib jemandem Macht über andere und du kannst warten, bis sie missbraucht wird.

 

Ist ja auch eigentlich nicht so weit hergeholt: Beim Stanford Prison Experiment hat man völlig gewöhnliche Erwachsene in zwei Gruppen gelost, die Wächter und die Insassen. Nun, man weiß, dass das Experiment abgebrochen werden musste, weil die Wächter trotz der Regel, keine Gewalt anwenden zu dürfen, sich in unmenschliche Monster verwandelt haben. Und in den oben genannten Institutionen waren es Kinder und Jugendliche, die zu maßregeln waren.

 

Ich will nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, aber es scheint mir doch naheliegend, dass oben genannte Institutionen einer besonderen Überwachung bedürfen sollten, um zu verhindern, dass Machtmissbrauch geschieht. Die meisten Übergriffe geschehen zwar in der Familie, aber wenn nicht mal familiäre Bande verhindern, einem Kind weh zu tun, wie soll man davon ausgehen, dass in Institutionen, in denen alle Beteiligte auf reine zwischenmenschliche Sympathie angewiesen sind, solche Übergriffe und Verfehlungen nicht geschehen?  

 

Jeder weiß, dass es unfair ist, Schwächere und Kleinere zu bedrohen und zu schlagen. Jeder sagt zu einem Kind, dass auf ein Schwächeres losgeht: Och, das ist aber nicht schön. Der ist ja viel kleiner als du.

 

Hallo? Und was ist mit den Erwachsenen? Eltern? Pfarrer? Seelsorger? Lehrer? Trainer?

 

Kinder sind immer kleiner und sie sind immer schwächer.

 

Und niemand, schon gar nicht die Eltern oder der Pfarrer oder der wer auch immer darf ihnen Schaden zufügen.

 

Lehrer dürfen ihre Schülerinnen – egal, wie kurz deren Rock oder wie tief deren Dekolleté ist – nicht begaffen oder als begehrenswerte Frauen auffassen. Sie sind SCHUTZBEFOHLENE.

 

Kinder sind heranwachsende Menschen, die sich selbst in der Welt ausprobieren müssen und dürfen. Es gibt kein Erziehungsziel, das rechtfertigt, Kindern oder Jugendlichen zu schaden.

 

Es ist elementar für eine künftige bessere Welt, dass sie vor allem lernen, dass sie vertrauen können und dürfen, dass man Kleinere und Schwächere beschützt und ihnen hilft, zurecht zu kommen.

 

Denn die Mittel, die die erwachsene Welt anwendet, um Kindern ihren Platz in der Welt zu zeigen, die Mittel werden auch für diese Kinder die legitimen sein, mit denen sie ihrer Umwelt begegnen werden. Die skandalösen Fälle, in denen Kinder Kinder getötet haben, haben eines gemeinsam: Die mordenden Kinder waren schwersten Misshandlungen ausgesetzt.

 

Man darf Kinder nicht schlagen oder demütigen. Und wenn die Kirche es nicht packt, das in aller Konsequenz anzugehen und stattdessen die Schuldigen beschützt oder ihre Untaten verschleiert, dann ist sie keine moralische Instanz. Auch wenn der gegenwärtige Papst noch so progressiv sein mag: Kinderschänder und Kinderquäler müssen benannt und bestraft werden. Das ist das richtige und einzig wirksame und so wichtige Signal an die Gesellschaft. Eine Untat muss eine Untat genannt werden. Und zwar gerade von der Kirche.