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The elephant in the room

Nach meinem Empfinden sind es weder zwei Drittel oder drei Viertel oder 85 % aller Frauen egal welchen Alters, die wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sind, sondern – well - alle.

 

Alle Frauen.

Alle Mädchen.

Alle.

 

I know, I know.

 

Viele Frauen sagen ja sogar selbst, sie hätten wegen ihres Daseins als Frau noch niemals unter Benachteiligung zu leiden gehabt.

 

Neulich habe ich kurz überlegt, spazieren zu gehen und mich auf einem mir persönlich bekannten Bänkchen hinzulegen, um mit Stöpsel im Ohr meine Meditations-App einzuschalten. Durchatmen. In mich hinein fühlen. Meditieren. Aber ich getraute mich nicht. Alleine spazieren gehen, okay. Aber nicht auf einer Bank liegen mit geschlossenen Augen, ohne die Umgebungsgeräusche zu hören.

 

Ein körperlich spürbares Angstgefühl würde sich einstellen.

 

Es gibt sicher viele Frauen, die sagen, trau dich.

Die sich trauen würden.

Aber ich getraue mich nicht und das rührt nicht aus meiner Hysterie, sondern aus meiner persönlichen privaten Lebenserfahrung. Und den meisten Frauen, die ich kenne, geht es genauso.

Keine objektiven Zahlen, mein subjektiver Befund.

Meiner.

 

In Freiburg gibt es ein Freibad mit einem eigenen Bereich nur für Frauen. Es ist bundesweit das einzige Frauenbad. Weiß lackierte Jugendstil Kabinen säumen eine Seite der Liegewiese, auf der anderen Seite stehen die Sonnenstühle. Hier liegen den ganzen Sommer über ältere Frauen, braungebrannt wie portugiesische Fischer, oben ohne, der Busen fließt entspannt über den Bauch, die Ladys rauchen, spielen Karten, zischen Bierchen oder Käffchen und von Zeit zu Zeit gibt es lautes Gelächter.

 

 Außerhalb des Frauenbads habe ich eine solche Szenerie mit reiner Frauenbesetzung noch nirgendwo gesehen.

 

An der Straße des Frauenbads liegt eine Klinik. Man witzelt, dass man von der dortigen Nierenstation einen Top-Blick auf das Frauenbad hätte.

 

Die meisten Frauen tragen zwar nur einen Bikini-Slip.

Aber es ist nicht spektakulär, was man dort sieht.

Junge, alte, sehr alte, dicke, dünne Bäuche, Beine, Pos,

manche Frauen mit einer, manche mit zwei Brüsten.

Körperbehaarung, Operationsnarben,

Tätowierungen in allen Aggregatzuständen.

Das wirklich bemerkenswerte am Frauenbad ist nicht, was man dort sieht. Das bemerkenswerte ist die Stimmung.

Wenn ich Besuch von Freundinnen oder verwandten Frauen hatte, die das Frauenbad nicht kannten, die sicher nicht feministisch waren oder in irgendeiner Form ‚frauenbewegt‘, habe ich es von ihnen gehört.

Sie saßen dort und sagten:

„Du hast recht. Das ist hier anders.“

Sie sahen sich um mit Neugier im Blick und legten sich nach einer Weile entspannt zurück.

 

("Kein Säbelzahntiger weit und breit.")

 

Wachsamkeit genauso wie Koketterie

 

(means: Entweder du fliehst vor dem Säbelzahntiger oder du versuchst ihn auf deine Seite zu ziehen, damit er dich beschützt)

 

wich aus ihren Gesichtern und ihrer Haltung.

Eine Art Absenz des Bewertet Werdens ist dort spürbar.

Eine Nichtanforderung.

Ein Nicht- auf- irgend-eine-Art-sein-müssen/wollen. 

 

Und guess what:

Das Frauenbad hat einen männlichen Bademeister.

Er läuft unauffällig herum, gießt die Geranien und bremst manchmal die kleinen Raudis, die dort bis zum Alter von 5 Jahren mit ihren Mamis hinein dürfen.

Der Mann stört nicht, die Frauen haben Priorität, es ist ihr Raum.

 

Der Kiosk steht im Allgemeinen Teil des Bads, der durch eine Holztür abgetrennt ist.

Frau steht auf, sucht in der Tasche nach Oberteil und Münzen.

Geht einen Latte holen oder Würstchen mit Kartoffelsalat oder ein Schokocroissant. Kommt wieder, lässt sich nieder, zwischen ihren Freundinnen oder alleine, nimmt ihr Buch auf oder schaut nach dem schlafenden Baby, auf das die Frau neben ihr einen Blick geworfen hat, solange sie sich was geholt hat.

Das Wasser am Babyplanschbecken plätschert.   

 

Und ab und zu, wenn die Holztür geöffnet wird,

sieht man ihn an einem Tisch des Kiosks sitzen,

 

den Mann, jung, alt, sehr alt, dick, dünn, mit Bauch, ohne, mit Haaren auf der Brust oder nicht, Operationsnarben und meist breitbeinig sitzend, der dort ein Bier trinkt und versucht, ab und an einen Blick zu erhaschen auf

 

die Frauen im Frauenbad.

 

Denn hier müssen Elefanten draußen bleiben.