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Fußball ist unser Leben. Fußball bringt uns um.

Fußball. Leute. Fußball! Elf Freunde müsst ihr sein. Das Runde ins Eckige sterilisieren. Sand in den Kopf stecken. Ausgeglichenes Chancenplus und mit a little bit lucky könnte es so oder so ausgehen. Tolle Sache.

Man bebt mit dem Verein. Und dann macht der Verein womöglich noch was gegen rechts und so – super. Überhaupt, die Integrationsarbeit von Sportvereinen. Sport ist so gesund! Hier spielen alle zusammen! Ja, eine Mannschaft, einer für alle und alle für einen! Und Mädchen machen inzwischen auch mit, yay!

Es geht mir auf die Eierstöcke. Ich sage es hiermit laut, ich schreibe und tippe es voller Ermächtigung und Bewußtsein: Fußball ist scheiße!

 

Das Baby kann noch nicht mal laufen, da sind sich Mütter und Väter aufm Spieli schon einig: Jaaaa, in den Fußballverein, das muss sein! Total wichtig. Schon um nicht ausgeschlossen zu sein und damit das Kind „Wettkampfluft schnuppern“ kann – what the fuck ist eigentlich Wettkampfluft? Ist das dieses angstschweiß- und testosterongeschwängerte Gasgemisch, dass einem aus Sporthallenumkleidekabinen entgegen wabert? Mannschaftsgeist. Klar.

 

Wenn man den kleinen Romeo am Spätnachmittag weinen hört, weil ihn die anderen dissen, weil er geheult hat, als er den Ball ins Gesicht bekam.

Wenn Emil-Luca sich nicht mehr ins Training traut, weil er letztes Wochenende verkackt und zwei Eigentore geschossen hat – ist das Mannschaftsgeist? Ach so!

Wenn Luisa beim Training nicht sofort los wetzt, sondern erst die Weinbergschnecke zur Seite bringt, damit keiner drauftritt und daraufhin von ihrer Mutter am Spielfeldrand angebrüllt wird: Luisa, renn! Lass die Scheißschnecke liegen! Mannschaftsgeist. Ne, is klar.

 

Ich hatte auch schon mehrfach das Glück, mit Fußballfans den gleichen Zug nach Hause benutzen zu dürfen. Schon das Geschmäckle beim Einsteigen entspannt massiv nach einem langen Arbeitstag. Ich arbeite Teilzeit und bin finanziell noch nicht mal in Sichtweite der Kaste angesiedelt, die Friedrich Merz für die Mittelschicht hält. Ich pendle morgens und abends mit dem Zug eine Stunde, und manchmal muss ich auch am Samstag mal arbeiten.

Voriges Mal, als ich Samstag Dienst hatte, setzte ich Anfängerin mich noch zuversichtlich in einen Vierer!

Um wenig später von betrunkenen Fans umzingelt zu sein, die einander ein weiteres Bier öffnen, lautstark über das verlorene Spiel zu fachsimpeln, einander zu erzählen, dass dafür heute Abend die Gattin Mädelsabend machen darf und die Mannen dann halt (mit ungefähr 3,4 Promille) aufs Kind aufpassen müssen. Gott, was für nette Männer!

Da lacht das Mutterherz! Juhu!

Das Kind wird sicher durch schlafen, wenn der Papa seine besoffen-verliebte Fresse über die Wiege hält, allein von dem Ethanol, das er da rein atmet.

Ups, ich schwoff ab.

Also. Die Fans im Zug prosteten sich mit ihren frisch geöffneten Bierflaschen zu, eine der Flaschen läuft initial über. Ein Metapherträumchen für anzügliche Bemerkungen aller Art! Station um Station wird der Bierdunst massiver, die Fans ruhiger, bis sie schließlich einschlafen, sehr unschuldig, Spucke läuft aus unschuldig sich öffnenden Lippen und rinnt in lyrisch-glänzenden Fäden über unrasierte Kinne, um auf knibbeligen Polyesterschals in Fanfarben Bläschchen zu schlagen. Dem Trunkenen, der mir gegenüber sitzt, rutscht das fast volle Fläschlein aus der Hand, stürzt zu Poden, läuft aus, aber macht nix, es stinkt eh schon.

Ich erhebe mich, steige über schlafende, in Bier eingelegte Menschen und suche mir einen anderen Waggon, vielleicht habe ich Glück.

Auf dem Weg treffe ich die Schaffnerin. Ich Petzliese erzähle ihr von den ausgelaufenen alkoholhaltigen Flüssigkeiten im Abteilen.

Die Schaffnerin lacht!

Ach ja, sagt sie, bei Fußball hat man Verständnis, da kann das passieren, hahaha, wie lustig! (Mich überrascht ihre Reaktion, weil damals, als das Baby einer Freundin nach dem Stillbäuerchen mit einen kleinen Schwall Muttermilch das Fahrradabteil markiert hat, fand sie es gar kein bisschen lustig.)

 

Letzten Samstag hatte die Mannschaft meiner Wahlheimat gewonnen. Zahlreiche, in kleinen Grüppchen auf dem Bahnsteig platzierte Polizisten in Kampfmontur gemahnten Vorsicht. Ein gutes Gefühl, in eine Bahn zu steigen, die so beschützt wird!

Setzte mich auf einen Zweier. Gegen die Fahrtrichtung! Das ist fast wie dritte Klasse, da setzen sich die Leute wirklich erst in allerhöchster Not hin. Sobald ein Sitz in Fahrtrichtung frei wird, hocken sie sich sofort um.

Ich war also gewappnet und beinahe frohen Mutes! Gerade Betrunkene müssen ja aufpassen, dass ihnen nicht schlecht wird. Und ich hatte Glück!

Drei Reihen vor mir waren zwei Vierer nebeneinander, getrennt durch den Gang, da saßen sie und johlten, aber ich hatte Sicherheitsabstand. Sie waren laut, schafften es aber nicht über 110 Dezibel, auch nicht, als sie das Badnerlied anstimmten, obwohl der Testosteronspiegel sicher Spitzenwerte erreichte. Dann war der Gesang vorbei.

Und plötzlich schrie jemand in mein Ohr! Ich sah Sternchen und Blitze.

Der leere Sitz neben mir begann zu bluten ... es roch nach Bier, Rülpser, Bratwurst, Spucketröpfchen besprühten kühl meine Wange ... der Mann saß hinter mir!

Ich hatte ihn nicht bemerkt. Er steckte seinen Kopf zwischen den Sitzen durch und verband mit seinem Schrei kommunikationstechnisch die Fangruppe zwei Reihen vor und zwei Reihen hinter mir.

Ich war so erschrocken, dass ich meinen Foucault fallen ließ, der in die obligatorische Bierpfütze stürzte. Gesicht nach unten. 14 Euro bei Suhrkamp. Down the drain.

Nun, allzu oft arbeite ich nicht am Samstag. Ich werde auch weitere Begegnungen mit betrunkenen Fans überleben.

 

Remember, der wunderbare Sommer 2006! Auch ich viewte public, trug gar einen Cowboyhut in Schwarz-rot-gold. Ja, auch ich habe dunkle Momente in meiner Vergangenheit.

2014 baute Brasilien für 3 Milliarden Euro Stadien gebaut, 2010 hat man 1,4 Milliarden dafür in Südafrika verballert. Die meisten dieser Stadien sind jetzt sogenannte „Weiße Riesen“, sie stehen leer, die Unterhaltskosten sind astronomisch. Aber in ihrem Schatten sitzen die Bettelnden wenigstens ein bisschen kühler, wa?

 

Der mitgliederstärkste Sportverein ist in Deutschland Bayern München mit fast 300000 Mitgliedern. Bayern ist AG, nicht e.V. Schalke ist ja e.V., also immerhin eingetragener Verein. Das e.V. kann ja entzogen werden, wenn der Verein satzungswidrig wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Satzungswidrig wirtschaftliche Zwecke? Hä? Was sind denn wirtschaftliche Zwecke? Geld verdienen? Sich bereichern? Was? DFB? Korruption? Beckenbauer? Wie?

Achja, das Verfahren gegen den Kaiser wird ja abgetrennt von den restlichen Strafverfahren, weil, er ist gar nicht vernehmungsfähig. Hatte einen Augeninfarkt. Voll krass. Sieht auf dem „rechten Auge wenig bis nichts“, Zitat Ende. (Ich habe übrigens auf jedem Auge -12 Dioptrien. Ich habe im Internet eine Tabelle gesucht, die in Prozent angibt, wie viel ich noch sehe, und keine gefunden! Bei -5 dpt hat man noch eine Sehleistung von – Achtung: 0.1%. Vielleicht könnte ich ja auch irgendwas anstellen und dann behaupten, ich seh gar nichts mehr, ich bin gar nicht verhandlungsfähig...)

 

Anyway. Was machen die Fußballvereine denn sonst noch Sinnvolles? Sport und Bewegung fördern? Seriously? Oder eher den Bierkonsum? Oder via Whatsapp die ersten Pornomemes teilen, weil der Trainer im Suff seine Gruppen nicht im Griff hat?

Ich schweife ab.

 

Neymar da Silva Santos junior verdient im Jahr knapp 37 Millionen Euro. Lionel Messi nur 36, blablabla. Diese Millionenzahlen sind natürlich absurd. Ich habe sie irgendwo aus dem Internet und weiß noch nicht mal, ob sie stimmen und es ist auch wurscht.

Nicht wurscht ist, dass solche Beträge vollkommen unverhältnismäßig sind. Dass sie auf einem System basieren, das wir Kapitalismus nennen und dem es völlig egal ist, ob andere Leute wohnen, essen, sauberes Wasser trinken oder eine Schule besuchen können, ob Fußballschuhe und -bälle von kleinen Kindern in einsturzgefährdeten Kellern genäht werden, die nordkoreanische Firmen aus chinesischen Waisenhäusern adoptiert haben (oder andersrum) und ob mit giftigen Stoffen und ohne Arbeitsschutzvorrichtungen Leder von aussterbenden Tierarten gegerbt wurde.

 

Diese Sportideologie, dieser Competitionscheiss, der jeden Abend in der Tagesschau zur besten Sendezeit seine Minuten bekommt, ist gesellschaftlich geförderter Schwanzvergleich. Mit meinen Rundfunkgebühren, verdammt.

Obwohl man inzwischen weiß, dass der Mensch sein Überleben seiner Kooperationsbereitschaft verdankt und nicht seiner Aggressivität, ist im Sport das entscheidende Kriterium der Sieg – nur der sorgt für das Prestige.

 

Ah, Prestige! Ansehen! Das schnellste Auto, das teuerste Auto, die schönste Frau, der höchste Turm! Schon mal in der Toskana in San Gimignano vorbeigekommen? Traumhaftes Panorama, jede Menge mittelalterliche Geschlechtertürme. Die wichtigsten Familien im Ort versuchten sich mit dem Bau immer höherer Türme gegenseitig zu übertreffen. Gemütlich war es in den Türmen nicht, sondern zugig und kalt, aber egal! Prestige! Zuhause hockten ja sowieso nur die Weiber...

Selbst bei Naturvölkern konnten ForscherInnen beobachten, dass auf der Jagd eher das prestigeträchtige und schwer zu erlegende Großwild gejagt wird, auch wenn vielleicht weniger Fleisch dran ist als an ein paar Hasen, die man leichter zur Strecke bringen könnte. Ob die Kids satt werden? Who cares! Aber ein Leopard als Lendenschurz ist einfach cool. Es zeichnet den Träger aus, wie eine Jacht oder eine Rolex oder ein Porsche Cayenne Hybrid.

Meins! Mein Eigentum. Hab ich gejagt.

 

I know, Ronaldo versteigerte seinen goldenen Fußballschuh zu Charityzwecken. 1,2 Mille kamen raus, das hat er noch mit ein paar anderen Trophäen gemacht, die er gewonnen hat. Und er ist Botschafter für so Sachen, krebskranke Kids, Unicef, World Vision und es sind immer Fotografen dabei, die schöne Fotos machen. 

 

Aber man kann mit Geld tolle Sachen machen. Minderjährige Prostituierte kaufen zum Beispiel. Oder vergoldetes rohes Fleisch essen in einem Staat, der mit Hilfe von Baukränen Frauen erhängt, deren Fußknöchel zu sehen war. Oder man kann Autos kaufen. Hier eine kleine Auswahl aus dem Fuhrpark der Beckhams: ein oder zwei Bentley Arnage, ein Rolls Royce Phantom Drophead Coupe, ein Porsche 911, ein Lamborghini Gallardo, paar Ferraris, dann noch paar viele Motorräder. Aber David hat auch ein T-Shirt für ne Anti-Aids-Kampagne designt, dass du dir für über 100 Tacken kaufen kannst. Er tut also auch Gutes! Wayne Rooney dagegen scheint seine Kohle überwiegend in Casinos zu verballern.

Aber naja, er kommt aus einfachen Verhältnissen. Und wie soll man sich denn auch charakterlich entwickeln, wenn man Profifußballer wird? Wenn jede Muskelfaser von morgens bis abends gepampert und gepimpt wird, das Ego aufgeblasen wird, damit man so richtig Biss hat beim Spiel?

 

Und nach der Karriere? Was bleibt, wenn nach dem Erreichen des Ziels, der Kohle, der schönen Frau, dem schnellen Auto, der knorken Kaffeemaschine und den handgenähten fair gehandelten Unterhosen aus Rehleder plötzlich gar nichts übrig bleibt als immer noch eine große böse schmerzhafte Leere, wie wir sie derzeit beim mächtigsten orangefarbenen Mann der Welt beobachten können?

Wettbewerb macht die Welt kaputt. Wettbewerb ist scheiße.

 

Die Menschheit hat nicht überlebt, weil der Beste am besten war. Sondern weil die Leute kooperiert haben.

 

Hört auf mit diesem Olympiascheiß!

Sport in der Schule gerne, aber nicht, um sich zu vergleichen, um zu gucken, wer der schnellste, beweglichste, stärkste ist. Bringt den Kindern schwimmen bei, weil es sie retten kann und vermittelt ihnen Freude an ihrem Körper und nicht Frust wegen ihrer mangelhaften Leistung. Segnet die Vielfalt!

 

Seid nicht nur elf Freunde! Seid ganz viele Freunde und Freundinnen und wenn das Runde keinen Bock aufs Eckige hat, sollte deswegen keiner sterilisiert werden.

 

Joanne K. Rowling hat ihren MilliardärInnenstatus verloren. Vor lauter Charity. 

 

Und jetzt koch ich mir erst mal einen Tee in meiner coolen Harry-Potter-Tasse.